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Spritz-Ess-Abstand

Freddy erklärt den Spritz-Ess-Abstand Die Vorkenntnisse zum Verständnis des Spritz-Ess-Abstandes hast du ja jetzt auf der vorherigen Seite über die Resorption bekommen. Jetzt wollen wir uns das mal in der Praxis ansehen.

Stell dir mal wieder vor, wir sind nicht im Körper sondern in einer Fabrik. Auf den Transportbändern, die hier "Blutgefäße" genannt werden, sind ständig Pakete mit Zucker unterwegs. Die müssen nämlich zu den Zellen transportiert werden, sonst kann die Fabrik nicht funktionieren.

Ja ich weiß noch: die Arbeiter vom Insulintrupp räumen die vom Transportband in die Zellen...

Genau. Und wo ständig etwas weggeräumt wird, da muss auch Nachschub her. Den holen wir uns mit dem Essen. Im Körper eines Menschen, der noch selber Insulin produzieren kann überwacht die Bauchspeicheldrüse ständig den Füllungsstand des Transportbandes. Sind dort zu viele Pakete, so schickt sie neue Arbeiter los; sind dort zu wenige, dann hält sie die neuen Arbeiter zunächst zurück.

Ja, und wer kein eigenes Insulin mehr produziert - oder zu wenig davon - der spritzt sich diese Arbeiter selbst und alles funktioniert genauso.

Bist du dir da so sicher? Immerhin hast du gerade gehört, dass die Aufnahme ins Blut sowohl bei den KH (Kohlehydraten) als auch beim Insulin gewissen Einflüssen unterliegt.

Und du willst mir jetzt sagen, dass ich diese Einflüsse berücksichtigen muss?

Natürlich. Die wichtigste Frage ist nämlich für einen Großteil der Diabetiker, also diejenigen, die eine intensivierte Therapie durchführen, wann soll man das Mahlzeiten-Insulin spritzen?

Na ich würde sagen, wenn sie eine Mahlzeit mit Kohlenhydraten essen, aber das klingt zu einfach...

Ist es auch. Schauen wir uns dazu mal ein Bild an:

Verlaufskurve ohne Spritz-Ess-Abstand Hier sieht man, wie sich die verschiedenen Dinge verhalten: bei einer nicht sehr fettigen Mahlzeit sind oft die Kohlenhydrate (KH) schneller im Blut als das Insulin. Die senkrechten grünen Striche stellen dabei die Zeit dar. Man kann auch sehen, dass ein Analogon (Humalog® oder NovoRapid®) schneller im Blut ist als Normal- oder auch Alt-Insulin wie Actrapid®.

Man sieht aber auch, dass das bei sehr fetthaltigen Speisen anders herum sein kann: Da kann das Insulin tatsächlich schneller im Blut sein als die KH.

 
Erklärung Analog ist lateinisch und bedeutet soviel wie "entsprechend: ähnlich". Die Medikamente "Humalog®" und "NovoRapid®" sind chemisch gesehen ja kein echtes Insulin, aber sie sind ihm eben ähnlich. Daher nennt man sie auch "Insulin-Analoga" (Analoga ist die Mehrzahl von Analogon)

Man sieht auf dem Schaubild, dass beides - KH und Insulin - zur selben Zeit eingenommen wird, aber zu unterschiedlichen Zeiten im Blut ankommt. Was würde passieren?

Ich würde sagen beim normalen Essen beginnt der Blutzucker zu steigen. Und jetzt kann ich mir auch denken, dass der u.U. zu hoch absteigen könnte.

Völlig richtig! Und wie sieht das bei der fettigen Mahlzeit aus?

Na eben total umgekehrt. Wenn erst das Insulin im Blut ankommt kann man eine Unterzuckerung bekommen.

Stimmt absolut. Ist nicht allzu viel Fett in der Mahlzeit kann es schon dazu kommen, dass dann beides zur selben Zeit im Blut ankommt.

Dem Jörg, also dem Betreiber dieser Seiten, ist das schon mal mit Reibekuchen passiert. Die werden ja im Öl schwimmend gebacken, enthalten also sehr viel Fett. Das hat er vergessen zu berücksichtigen und hat sich die normale Dosis Insulin kurz vor dem Essen gespritzt. Das Ergebnis war eine mordsmäßige Unterzuckerung. Aber solche drastischen Fehler passieren eben jedem einmal und er hat daraus gelernt.
Jetzt isst er zuerst die Reibekuchen, wartet dann noch eine Viertelstunde und spritzt dann nur die Hälfte der berechneten Insulindosis, dann bleibt der Blutzucker schön stabil.

Obwohl er nur die Hälfte spritzt?

Ja. Bei sehr fettigen Speisen kann das schon ausreichen, das muss man vorsichtig für sich selber ausprobieren. Dazu ist es gut, wenn man ein Diabetes-Tagebuch führt, in das man genau einträgt wie man vorgegangen ist. Daraus kann man beim nächsten Versuch ablesen, was man besser machen könnte.

Wir sehen also, dass bei sehr fetthaltigen Speisen auch ein Ess-Spritz-Abstand notwendig sein kann.

Und jetzt mal ein Bild davon, wie es eigentlich viel besser funktioniert:

Verlaufskurve mit Spritz-Ess-Abstand Hier sieht man, dass man einige Dinge zeitlich verschieben muss, damit KH und Insulin zur selben Zeit im Blut ankommen. Bezogen auf unsere Fabrik heißt das in etwa, dass man seine Arbeiter ja nicht dann schon zur Arbeit schickt, wenn die Lieferung gerade erst das Tor passiert hat, sondern erst dann, wenn die neuen Pakete auch auf dem Transportband eintreffen.

Und dort hat die Bauchspeicheldrüse uns gegenüber einen Riesen-Vorteil: sie schickt ihre Arbeiter direkt ans Transportband, während wir sie nur in einen Vorraum schicken können, nämlich dem Unterhaut-Fettgewebe. Von dort müssen sie sich erst ihren Weg zum Transportband suchen und dazu erst ihren Nachbarn loslassen, sonst kommen sie nämlich nicht ins Blut hinein.

Ach ja, die Sache mit dem Sechser-Pack und Zweierpack und so...

Eben!
Wenn wir sie ins Unterhautfettgewebe spritzen, dann ist das, als schicken wir sie in einen Raum mit Wänden aus Gummi. Irgendwo läuft da auch ein ganz feines Blutgefäß entlang, eine "Kapillare", und die ist sowas wie die Tür, die aus dem Raum in die Gänge mit dem Transportband führen.

Ja so halbwegs kann ich mir das vorstellen. Aber was hat es mit den Gummiwänden auf sich?

Damit will ich dir ein ganz wichtiges Prinzip klarmachen: Nimm dir mal einen Luftballon und blas ihn vorsichtig auf. Du wirst feststellen, dass die Öffnung nicht im selben Maße mitwächst wie der übrigen Raum. Und je mehr du ihn aufbläst, desto länger dauert es anschließend, bis die Luft vollständig entwichen ist. Und so ist das auch beim Insulinspritzen. Was beim Langzeit-Insulin ja noch gewollt ist - das soll ja auch lange wirken - ist beim Mahlzeiten-Insulin u.U. nicht so gut, denn das soll in der Regel ja schnell wirken.

Irgendwelche Wissenschaftler haben mal herausgefunden, dass die optimale Dosis an Mahlzeiten-Insulin ca.7-8 Einheiten beträgt. Wird die Dosis größer, dann wirkt sie länger. Wird sie zu groß, dann kann sogar ein Teil des Insulins durch Enzyme des Körpers unwirksam werden.

Und wenn wir jetzt gesehen haben, dass normales Essen und fettiges Essen unterschiedliche Zeiten haben, bis sie im Blut wirksam werden und den Blutzucker beeinflussen, dann kannst du dir auch sicher denken dass...

...es dazwischen jede Menge feine Abstufungen gibt, je nachdem wie fettig eine Mahlzeit ist.

Das weißt du schon?

Ist doch ein altes Sprichwort: zwischen Schwarz und Weiß gibt es jede Menge Graustufen.

Ja genau. Und so ist das auch hier. Und jeder Körper reagiert immer ein bisschen anders, da muss man das also erstmal austesten.

Und wie? Kann man wirklich messen, was warum geklappt oder nicht geklappt hat?

Das geht. Dazu kann man mal Blutzucker-Tests nach dem Essen machen. 1-2 Stunden danach und 2-3 Stunden danach. Der 2-3-Stunden-Wert sagt etwas darüber aus, ob die Gesamtdosis ausgereicht hat. Bei sehr fettigen Speisen kann das auch ein 3-4-Stunden-Wert sein.
Und der 1-2-Stunden-Wert lässt uns einen Blick auf den Spritz-Ess-Abstand werfen.
Ist der Wert zu niedrig, weil das Insulin noch vor den KH wirken konnte, dann sollte man diesen Abstand verkürzen.
Ist er zu hoch, weil noch vor dem Insulin die KH den Blutzucker in die Höhe trieben, dann kann man ihn vorsichtig verlängern.

Mann, das war aber jede Menge Stoff. Sollen wir mal eine kleine Pause einlegen?

Pause? Mein lieber Gustl: wir sind fertig mit den Grundlagen. Du kannst jetzt mal zu den Wissenstests gehen und nachsehen, wieviel der Fragen du richtig beantworten kannst.

Echt wahr? Mann, da ist die Zeit aber wie im Flug vergangen. Eigentlich schade, ich hatte mich schon so an dich als "Lehrer" gewöhnt.

Ach sei nicht traurig. Der nächste wird dir sicher auch gefallen.
Und ich sag jetzt mal Servus, Gruezi, Ciao, Arrivederci, Bye-bye und Auf Wiedersehen...

Freddy verabschiedet sich