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In Ihrem eigenen Interesse:

Bitte befolgen Sie Tipps/Empfehlungen/Anregungen, die Sie hier oder anderswo im Internet gefunden haben, niemals, ohne das vorher mit Ihrem behandelnden Arzt, bzw. mit Ihrem Diabetesteam besprochen zu haben!

Wichtig!
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Der Korrekturbolus

Zusammenfassung
  • Liegt der BZ unter dem Zielbereich, so wird mit Kohlenhydraten korrigiert, liegt er über dem Zielbereich korrigiert man mit Insulin.
     
  • »NIEMALS« berechnet man die erforderliche Korrekturdosis, indem man einfach den aktuellen BZ durch den Korrekturfaktor teilt. Man muss nämlich erst den Zielwert vom aktuell gemessenen BZ abziehen und den Rest durch den Korrekturfaktor teilen.
     
  • Zielbereich und Zielwert sind etwas sehr individuelles und sollten zusammen mit dem behandelnden Arzt festgelegt werden.
     
  • Für Diabetiker, die sehr empfindlich auf Insulin reagieren empfiehlt es sich in Schritten von einer halben Einheit Insulin zu korrigieren.
     
  • Wenn mehr als 7 bis 8 Einheiten zur Korrektur gebraucht werden ist es ratsam die Gesamtdosis in kleine Einzeldosen aufzuteilen.
     
  • Zu hohen BZ nach einer Mahlzeit sollte man frühestens nach 3 bis 4 Stunden korrigieren.
Nähere Erklärungen siehe unten.

Zu hoher oder zu niedriger BZ kann immer wieder mal vorkommen. Der Körper ist eben keine Maschine, die jeden Tag gleich reagiert. Da hilft es auch nichts, sich darüber zu ärgern oder schuldig zu fühlen.
Erst wenn die Abweichungen vom Zielbereich häufiger auftreten ist es ratsam, gemeinsam mit dem behandelnden Arzt die Blutzuckerprofile der letzten Tage durchzugehen und u.U. mal zu testen, ob die Therapie nicht einer Veränderung bedarf. Denn eine einmal festgesetzte Therapie muss keinesfalls bis an das Lebensende so bleiben; Veränderungen treten bei fast jedem irgendwann mal auf.

Ist der BZ zu tief (also unterhalb des Zielbereichs), dann isst man eben 1-2 BE (auch wenn man noch keine Hyposymptome verspürt, denn die könnten ja kommen und den BZ noch mehr aus dem Gleichgewicht bringen).

Ist der BZ mal zu hoch, dann ist die erste Frage immer, warum das so sein könnte. Auf die möglichen Gründe will ich hier mal nicht näher eingehen, denn für die Bestimmung des Korrekturbolus sind die meisten davon irrelevant.

Relevant ist da schon die Uhrzeit, denn zu den verschiedenen Tageszeiten ist die Insulinsensitivität unterschiedlich stark ausgeprägt. So kann die BZ-Senkung mit derselben Menge an Insulin morgens oder nachts extrem unterschiedlich sein. Deswegen haben die meisten Insuliner auch unterschiedliche Korrektur-Regeln für unterschiedliche Tageszeiten.

Wenn man etwas korrigieren will, dann geht das nur wenn man weiß, was man mit einer Korrektur erreichen will. Bezogen auf den BZ heißt das, man muss einen Wert im Hinterkopf haben, den man zu erreichen sucht.

Allerdings ist es beim BZ nicht einfach möglich einen Regler zu betätigen und dort einen gewissen Wert einzustellen. Man muss eine bestimmte Menge Insulin spritzen oder Kohlenhydrate essen und dabei einschätzen können, wie hoch oder wie tief der BZ danach sein wird.
Würde man einen Wert festlegen von z.B. 120 mg/dl, dann wäre ein Wert von 121 bereits eine Verfehlung, wenn auch nur eine geringe (die zudem auch noch in die erlaubte Abweichung der Messgeräte fällt!). Daher ist es realistischer statt eines alleinigen Zielwertes noch einen Bereich anzugeben, der auch noch als akzeptabel empfunden werden kann. Also »Zielbereich« und »Zielwert«.

Der Zielwert ist etwas Individuelles; kann nicht für alle Menschen gelten, denn jeder hat andere Voraussetzungen. Jemand, der im Büro arbeitet und seine tägliche körperliche Belastung im Voraus kennt wird nicht so leicht in "Gefahr" geraten eine Hypo zu bekommen wie jemand, der auf dem Bau arbeitet und/oder keine festen Pausenzeiten hat.
Ein höherer Zielwert kann hier mit einem Reservetank verglichen werden, der einen etwas länger vor einer Hypo bewahrt. Allerdings nimmt das Risiko von diabetischen Spätschäden mit der Höhe des durchschnittlichen BZ zu, sodass der Zielwert nicht unendlich hoch angesetzt werden kann.
Am besten besprechen sie ihren Zielwert mit Ihrem behandelnden Arzt.

Der Zielbereich ist da schon etwas anders; für ihn kann man Regeln aufstellen.
Am günstigsten ist ein Zielbereich, der ausgehend vom Zielwert Abweichungen nach oben und nach unten gleichermaßen zulässt, die ungefähr der Wirkung einer I.E. oder einer BE entsprechen.

Beispiel:
Sie haben festgestellt, dass eine I.E. Insulin den BZ um ca. 30mg/dl senkt und ihr Zielwert liegt bei 110mg/dl. Dann wäre der Zielbereich bei 80-140mg/dl

Zusammenfassend kann man also sagen: Der Zielwert ist das, auf das man zielt, wenn man im Zielbereich landen möchte.

Aber was, wenn eine I.E. den BZ um 60/mg/dl senkt?
Bei einem Zielwert von 110mg/dl wäre ein Zielbereich von 50-170/mg/dl natürlich etwas happig. In dem Fall würde ich als Zielbereich eher den Bereich ansehen, innerhalb dessen eine Intervention durch Essen oder Korrigieren nicht notwendig ist. Als Obergrenze lege ich für mich persönlich 140mg/dl fest, weil ab diesem Wert mit einer zunehmenden Bildung freier Fettsäuren und damit verbundener Insulinresistenz zu rechnen ist.
Die Untergrenze liegt dann dicht an der Hyposchwelle. Bei mir sind das derzeit 60/mg/dl.
Dieses Beispiel verdeutlicht aber auch anschaulich, warum eine Bolusteilung in halbe Einheiten durchaus sinnvoll sein kann. Nur ist das mit vielen Pens gar nicht so genau einzustellen.

Daher würde ich bei einer Korrektur mit Insulin im Zweifelsfall lieber eine Einheit zu wenig als eine zu viel spritzen. Ist der BZ danach noch zu hoch, dann kann ich immer noch nachkorrigieren. Komme ich aber in eine Hypo, dann muss ich etwas essen (was sich ungünstig auf das Körpergewicht auswirkt) und löse unter Umständen eine körperliche Gegenregulation aus.
Ich nenne das dann BZ-Achterbahn!

Die Resorption, also die Aufnahme aus dem Unterhautfettgewebe ins Blut hängt bei Insulin auch stark von der verabreichten Insulinmenge ab.

Um das zu verstehen muss man ein bisschen genauer hinschauen: Insulin liegt je nach Konzentration in mehr oder weniger großer Menge nicht als Einzelmoleküle (=Monomere), sondern in Gruppen zu je sechs Molekülen (=Hexamere) vor. Sie können sich vorstellen, dass diese Gruppen ("Six-Packs") auch räumlich größer sind. Leider zu groß, um die kleinen Poren in den Blutgefäßen passieren zu können. Die sind gerade groß genug für Monomere, evtl. auch für Dimere (=Zweiergruppen von Molekülen).

Bei der Konzentration U100 (=100 I.E. pro Milliliter) beträgt der Anteil an Hexameren ca. 75%. Da die Konzentration wesentlich zu dieser Hexamer-Bildung beiträgt ist auch klar, wie man sie wieder auflösen kann: durch entsprechende Verdünnung. Die Flüssigkeit, die hier zur Verdünnung beiträgt kommt direkt aus der Umgebung, in die gespritzt wurde: das ZZW (Zellzwischenwasser, oder auch "interstitielle Flüssigkeit", wie der Mediziner dazu sagt).

Der menschliche Körper besteht zu 70% aus Wasser, das sich bei einem Menschen mit z.B. 70kg Gewicht wie folgt verteilt:

  • 3 Liter im Blut (von 6 Litern Blut gesamt; die restlichen 3 Liter Volumen bestehen aus den festen Körper (dem Hämatokrit), wie z.B. rote und weiße Blutkörperchen)
  • 12 Liter Zwischenzellwasser, das sich frei zwischen den Zellen und außerhalb der Blutgefäße bewegt
  • 35 Liter Zellwasser, das sich direkt in den Zellen befindet

Wie wir im Kapitel über die Nierenschwelle schon geklärt haben gibt es die Osmose, die durch bestimmte Stoffe ausgelöst wird. Auch Insulin als Eiweißkörper hat diese osmotische Kraft und zieht Wasser an; in diesem Fall eben das ZZW. Damit die Hexamere in Dimere zerfallen (=dissoziieren) können ist eine Verdünnung des gespritzten Insulins um den Faktor 50-100 notwendig (Zur Dissoziation in vorwiegend Monomere sogar um den Faktor 1000!). Insulin kann also erst ins Blut übergehen, wenn es durch genug Zwischenzellwasser verdünnt wurde.

Und jetzt können Sie sich sicher leichter vorstellen: je mehr Insulin man spritzt, desto mehr ZZW wird bis zur ausreichenden Verdünnung benötigt. Und desto länger dauert dieser Vorgang. Als Faustregel kann man daher auch sagen: eine Verdreifachung der Dosis bewirkt eine Verdopplung der Wirkdauer. Hört sich zwar nach viel an, bedeutet aber eigentlich nur: 6 IE wirken doppelt so lange wie 2 IE.

Ich brauche aber viel Insulin, lässt sich das nicht umgehen?
Doch, das kann man. Wenn der Inhalt eines kleinen Reservoirs schneller ins Blut gelangt, dann bewirken viele kleine Reservoire das auch. Die werden ja nicht der Reihe nach resorbiert sondern gleichzeitig. Diese Aufteilung in mehrere Injektionen nennt man auch Splitting oder "fraktioniert spritzen"!
Für den Diabetiker, der Spritze oder Pen benutzt ist das ja kein Problem. Diabetiker mit einer Pumpe können dann einen Teil des Bolus mit der Pumpe abgeben, den anderen Teil zusätzlich mit Pen oder Spritze.

Weitere Einflüsse auf die Resorption haben Faktoren wie Umgebungstemperatur (bei Wärme ist die Durchblutung der Hautschichten höher, bei Kälte ist sie geringer), körperliche Aktivität oder Massagen (regen auch die Durchblutung der Haut an), Nikotin (zieht die Blutgefäße zusammen und vermindert so die Durchblutung), sowie Medikamente, die auf die Durchblutung einen Einfluss haben.
Auch die Wahl des Injektionsortes kann einen Einfluss haben. So wird die Bauchhaut von mehr Blutgefäßen durchzogen als die Haut über dem Oberschenkel, was eine schnellere Resorption aus Stellen um den Bauchnabel bewirkt.

Ich habe gerade einen BZ gemessen, der tiefer als mein Zielbereich ist, aber das fühlt sich gar nicht an wie eine Hypo...
Nun, es fühlt sich noch nicht so an, aber das könnte noch kommen. Und danach vielleicht eine Gegenregulation, die den BZ über den Zielbereich hinaus steigen lässt.
Wenn Sie so konsequent sind und alles über dem Zielbereich korrigieren, dann können Sie auch ebenso verfahren wenn Sie unter dem Zielbereich sind. Nur hier eben nicht mit Insulin sondern mit Kohlenhydraten.
Es müssen auch keine schnellen Kohlenhydrate wie z.B. Traubenzucker sein. Langsame wie Schokolade oder eine Scheibe Brot mit Margarine tun es auch (beide verlangsamen aufgrund des Fettgehaltes den Eintritt der Glucose ins Blut). Daher sind sie bei einer echten Hypo zur Soforthilfe auch weniger geeignet.
Sie haben diesen Wert unmittelbar vor einer Mahlzeit gemessen?
Dann können Sie auch anders vorgehen. Essen Sie ganz normal, aber ziehen sie bei der Berechnung des Mahlzeitenbolus eine BE ab. Beispiel: Sie wollen gleich 6 BE zum Mittag essen. Weil der BZ vor dem Essen aber schon so tief ist, können Sie die 6 BE essen, brauchen aber nur für 5 BE das Insulin zu spritzen. Die 6. BE ist in dem Fall dazu da, den tiefen Wert etwas anzuheben.

Und wie kann man testen, um wieviel eine Einheit Insulin den BZ senkt?
Das erfahren Sie im nächsten Artikel...