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In Ihrem eigenen Interesse:
Bitte befolgen Sie Tipps/Empfehlungen/Anregungen, die Sie hier oder anderswo im Internet gefunden haben, niemals, ohne das vorher mit Ihrem behandelnden Arzt, bzw. mit Ihrem Diabetesteam besprochen zu haben!
Und wie überprüfe ich nun meine BE-Faktoren/lege sie fest? Durch Ausprobieren! Natürlich sollte hier schon sichergestellt sein, dass der Basalbedarf korrekt festgelegt wurde, damit keine Lücken in der Basalversorgung das Ergebnis verfälschen können. Und es ist ziemlich sinnvoll zumindest in dieser Phase seine Lebensmittel genau abzuwiegen, damit keine Schätzfehler einen zu hohen oder zu niedrigen BZ bewirken. Auch den Gehalt an Kohlenhydraten der einzelnen Lebensmittel sollte man dann genau kennen. Im Internet finden sich dafür viele Listen (eine sehr umfangreiche z.B. im Downloadbereich von Diabetes-Kids); auch in Buchhandlungen wird man fündig. (Immer wieder gern empfohlen wird das Buch Kalorien Mundgerecht)
Und natürlich gibt es auch noch die Lebensmitteldatenbank auf http://fddb.info/, bzw. deren Apps für iOS und Android.
Dann sollten die Mahlzeiten während dieser Testphase nicht allzu üppig und/oder allzu fettreich ausfallen. Auch auf außergewöhnliche körperliche Aktivitäten würde ich in dieser Zeit verzichten. (Man will ja den Normalzustand ermitteln)
Mir hat es in der Einstellungsphase sehr geholfen, dass ich mir eine "Standard-Mahlzeit" zusammengestellt habe, die jeden Tag gleich war. Es war nicht unbedingt ein kulinarischer Hochgenuss, aber so konnte ich sicher sein, dass sich die Änderungen des pp-BZs nur auf die geänderten Insulindosierungen bezogen haben.
Sind die Rahmenbedingungen festgelegt kann die Testphase beginnen. Natürlich sollte man dann immer einige Not-BE in Form von Traubenzucker parat halten um eventuelle Hypos schnell ausgleichen zu können. Da es um den BE-Faktor zu jeder einzelnen Tageszeit geht sollte man sicherstellen, dass die letzte Mahlzeit etwa 4 Stunden zurückliegt (sonst könnten Reste dieser Mahlzeit das Ergebnis verfälschen). Den Faktor, den man zum allerersten Test zugrunde legt würde ich immer ein wenig dem Basalbedarf angleichen. Benötigt jemand nur 12 I.E. Basalinsulin in 24 Stunden wäre ein Anfang mit einem Faktor von 1 sicher zu hoch gegriffen. Lieber würde ich in Kauf nehmen, dass der pp-BZ (der etwa 2 Stunden nach dem Essen gemessen wird) etwas zu hoch ausfällt als gleich mit einer Hypo zu beginnen.
Den eigentlichen Test beginnt man also mit einem BE-Faktor von 0,5 bis 1, das heißt die BE-Menge wird mit diesem Faktor multipliziert. Für mich interessant waren dann immer die Werte 1 Stunde, 2 Stunden und 3 Stunden nach dem Essen. Der 1-Stunden-Wert sagt mir etwas über den Spritz-Ess-Abstand. Ist mir dieser Wert zu hoch, dann kann ich versuchen den SEA zu erhöhen. (Auch bei Analoga ist das mitunter nötig) Der 2-Stunden-Wert sagt mir dann, inwiefern der BE Faktor gestimmt hat und den 3-Stunden-Wert mache ich zu meiner Sicherheit. So lange ungefähr wirken Analoga und ich möchte sichergehen, dass mein BZ nach dem Essen nicht zu tief absinkt.
Ist der BZ nach dem Essen zu hoch wird er natürlich mit Insulin korrigiert. Ist er erheblich zu hoch (über 200mg/dl), dann korrigiere ich auch schon nach 2 Stunden, ansonsten lieber erst nach einer Kontrollmessung 3 Stunden nach dem Essen. Man soll nie in ein noch wirkendes Bolusprofil hineinkorrigieren, es sei denn man ist sich sicher beim Mahlzeitenbolus aus Versehen zu wenig gespritzt zu haben. Der Korrekturbolus wird dann dem Mahlzeitenbolus zugerechnet und daraus der neue Faktor bestimmt.
Beispiel: Es wurden 6 BE gegessen, wobei ein Faktor von 1 angenommen wurde (6 BE mal 1 = 6 I.E. Insulin). Nach dem Essen waren 3 I.E. Insulin als Korrekturbolus nötig, um den BZ wieder auf Normalwert zu bringen. Also: 6 I.E. + 3 I.E. = 9 I.E. geteilt durch 6 BE = 1,5
Bei der nächsten Mahlzeit um diese Uhrzeit gehe ich also von einem Faktor von 1,5 aus.
Ähnlich läuft das, wenn der BZ nach dem Essen zu niedrig ist und für die Hypo zusätzliche BE gegessen werden müssen. Wenn es jemand schafft exakt nur die Menge an BE für die Hypo zu essen, die notwendig sind um den BZ auf Normalniveau zu bringen, dann tut man so, als wäre der Mahlzeitenbolus für die Mahlzeiten-BE PLUS der Not-BE gewesen und ermittelt so den neuen BE-Faktor. Allerdings erfordert das schon eine gewisse Willenskraft, die man je nach Stärke der einsetzenden Hypo nicht immer aufbringen kann. In dem Fall reduziert man den BE-Faktor eben nach Gefühl (z.B. auf 0,8 statt 1).
Bis man es wirklich geschafft hat für alle Tageszeiten die nötigen BE-Faktoren zu ermitteln dauert es also schon mal eine Zeitlang.
Was man auf jeden Fall beachten sollte: Der menschliche Körper ist keine Maschine. Wenn er also mal nicht wie vorhergesehen reagieren sollte, dann ist es im Einzelfall noch kein Grund nervös zu werden oder sich dafür die Schuld zu geben. Kommt es öfter vor, dann kann man in aller Ruhe nach den Gemeinsamkeiten suchen und findet so in der Regel recht schnell den "Übeltäter". Und man sollte auch daran denken, dass die BZ-Geräte einer gewissen Fehlertoleranz (von 15%) unterliegen. Ein tatsächlicher Wert von 100 könnte also ebenso gut als 85 oder 115 dargestellt werden.
Natürlich haben auch insulinpflichtige Diabetiker hin und wieder Hunger und wollen etwas essen.
Anders als der Gesunde müssen sie allerdings diese Mahlzeiten einplanen und/oder berechnen, wenn der BZ davon nicht allzu stark ansteigen soll.
Auf den Unterschied zwischen Lebensmitteln, die für das Insulin angerechnet werden müssen und solchen, die man auch ohne Anrechnung essen kann möchte ich an dieser Stelle nicht weiter eingehen. Auch nicht auf die Therapieformen, die eine feste Menge an Kohlenhydraten zu festgelegten Uhrzeiten erfordern (wie z.B. die ursprüngliche konventionelle Therapie CT).
Hier soll es um die Diabetiker gehen, die Uhrzeit und Menge ihrer Mahlzeiten selbst festlegen und dann dafür eine entsprechende Menge kurzwirkendes Normalinsulin oder Analoga spritzen oder pumpen. Diese Insulindosis muss ja definiert werden, und dazu gilt es einige Regeln zu kennen und zu beachten, die ich im Folgenden mal auflisten und erklären will:
Uhrzeit: Wie ja schon an anderer Stelle erklärt gibt es tageszeitabhängige Schwankungen im Insulinbedarf. So ist er bei den meisten Menschen morgens am höchsten, mittags geringer, nimmt zum Abend hin wieder zu und ist nachts am geringsten.
Diese Schwankungen fließen natürlich auch in die Berechnung des Mahlzeitenbolus ein. Es ergibt sich ein unterschiedlicher BE-Faktor für die verschiedenen Tageszeiten. (Der BE-Faktor ist die Menge an Insulin, die zur Abdeckung einer BE gebraucht wird. Meine Faktoren sind z.B. 3 - 1,5 - 1,8 für morgens - mittags - abends)
Menge der Kohlenhydrate: Neben der Uhrzeit ist das einer der wichtigsten Faktoren, die zu berücksichtigen sind. Aber nicht allein wegen der Funktion als Multiplikator, sondern auch wegen der Insulinmenge, den diese Multiplikation ergibt. Wie ja bereits im Kapitel "Korrekturbolus" erwähnt beeinflusst eine größere Menge subkutan gespritztes Insulin auch die Resorptionsgeschwindigtkeit. Mitunter kann es soweit kommen, dass die Kohlenhydrate aus der Nahrung schneller ins Blut gelangen als das Insulin aus dem subkutanen Reservoir. (Wann dieser Fall eintritt ist abhängig von der Insulindosis, der Größe der Mahlzeit, dem glykämischen Index und anderen Faktoren wie z.B. einer Magenentleerungsstörung) Und das will man ja eigentlich vermeiden, denn der Idealfall ist, wenn beide Stoffe zur selben Zeit im Blut auftauchen. Ungefähr wie beim Händewaschen, bei dem es ja auch von vielen als angenehm empfunden wird, wenn kaltes und warmes Wasser gleichzeitig und im richtigen Mischungsverhältnis vorhanden sind.
Wahl der Injektionsart: In der Bauchhaut wird das Insulin schneller resorbiert als in der Haut über den Oberschenkeln, bzw. Oberarmen. (Manche haben sogar gelernt sich Insulin intravenös (i.v./in die Vene) oder intramuskulär (i.m./in den Muskel) zu spritzen, was natürlich nur mit Spritzen, nicht aber mit Pen oder Pumpe geht. Allerdings kann man hier mit einer falschen Technik einiges an Problemen heraufbeschwören, weswegen man diese Methoden nur nach sorgfältiger Schulung anwenden sollte) Wird die Stelle anschließend massiert, so kommt es durch eine Verbesserung der Durchblutung auch zu einem schnelleren Wirkungseintritt. Insbesondere im Winter bei kalter Haut kann das von Vorteil sein.
Höhe des Ausgangs-BZs: Das ist ein Punkt, der von vielen zu wenig beachtet wird. Zwar gehen diese auch noch bei der Berechnung der Insulindosis korrekt vor (sie addieren zum Mahlzeitenbolus den benötigten Korrekturbolus), doch übersehen sie, dass es oftmals besser ist den Korrekturbolus allein zu spritzen und mit der Mahlzeit etwas zu warten, bis man dann in einer erneuten Injektion vor dem Essen den Mahlzeitenbolus zu spritzen.
Liegt der Ausgangs-BZ vor der Mahlzeit (der präprandiale BZ; prä = vor; prandial = die Mahlzeit betreffend) um wenige mg/dl höher als der Ziel-BZ, dann kann man auch beide Dosen auf einmal spritzen. Aber ab ungefähr 200mg/dl (so meine Erfahrung) ist es lohnenswert, die Mahlzeit etwas zu verschieben und erst dem Korrekturbolus ein wenig Zeit zu geben um zu wirken. Für viele ist das aber auch nur eine schöne These, die sich nicht im Alltag umsetzen lässt (z.B. bei festen Pausenzeiten während der Arbeit). Hier kann man sich anders behelfen: man macht sich einfach den Umstand zunutze, dass kleine Insulinmengen schneller in die Blutbahn gelangen. Ein Splitting in Einzeldosen, die nicht größer als 6 bis 7 I.E. sind kann da schon einen Vorteil für den nach der Mahlzeit entstehenden BZ (den postprandialen BZ; pp-BZ; post = nach) haben.
Es kann aber auch der Fall eintreten, dass der Ausgangs-BZ sehr niedrig ist; manchmal knapp über der Hyposchwelle. In diesem Fall sollte man auf keinen Fall einen Spritz-Ess-Abstand einhalten. Unter Umständen ist es dann sogar ratsam erst zu essen und dann zu spritzen!
Größe der Mahlzeit: Hiermit meine ich jetzt nicht die Frage "Wieviel KH/BE/Kalorien hat die Mahlzeit" sondern vielmehr die volumenmäßige Größe. Ist der Magen nämlich besonders gut gefüllt, so verlangsamt das den Zerkleinerungs- und Transportvorgang. Die Folge: der Nahrungsbrei kommt etwas später und/oder verzögert im Darm an und die Glucose landet später im Blut.
Es gibt aber auch Personengruppen, die mit der Transportgeschwindigkeit durch Zusatzerkrankungen ihre Probleme haben. Ich denke da an Menschen, die zusätzlich zum Diabetes noch eine Gastroparese (=verlangsamter Transport des Mageninhalts) haben. Oder solche, die nach einer Operation nur noch einen Teil ihres Magens oder gar keinen Magen mehr haben. Während die erste Gruppe ihren Mahlzeitenbolus u.U. erst nach dem Essen abgibt, so ist bei der letzteren ein längerer Spritz-Ess-Abstand erforderlich.
Glykämischer Index: Was das ist habe ich in der Physiologie-Sektion erklärt. Wie sich das auswirken kann habe ich am eigenen Leib erfahren: ich esse gerne Reibekuchen. Das sind geriebene Kartoffeln, die mit Mehl und Gewürzen vermischt in Fett schwimmend frittiert werden. Wenn die auf den Teller kommen, dann haben sie noch jede Menge Fett an sich (was ja wie erwähnt den GI (=glykämischer Index) senkt). Ich habe einmal 6 Reibekuchen gekauft, die von der Größe her einer mittelgroßen Kartoffel entsprachen. Also habe ich sie pro Stück mit einer BE eingestuft und daher mit 9 I.E. Insulin (es war mittags und mein BE-Faktor ist dann 1,5) abgedeckt. Sie waren köstlich, aber nach ca. einer Stunde hatte ich eine mordsmäßige Hypoglykämie, die nur schwer in den Griff zu bekommen war!
Was war passiert? Es sind zwei widrige Umstände aufeinandergetroffen: erstens ist durch die große Fettmenge der GI drastisch gesenkt worden, denn das Fett hat dafür gesorgt, dass sich die Magen-Darm-Bewegung verlangsamt hat. Der Nahrungsbrei kam also erst verspätet im Darm an (und konnte dort die Glucose ebenso verspätet ins Blut abgeben), während das Insulin ganz normal resorbiert wurde und seine Wirkung entfaltet hat. Zweitens verhinderte die noch immer gehemmte Magen-Darm-Bewegung, dass die Not-BE gegen die Hypo vom Darm ins Blut abgegeben werden konnte. Ich habe mir damit behelfen können, dass ich die Glukoselösung so lange wie möglich im Mund behalten habe, denn auch von dort aus kann sie schon langsam ins Blut gelangen. Ein echter Reibekuchen-Fan lässt sich aber seine Lieblingsspeise von solchen Widrigkeiten nicht vergällen und so fand ich heraus, wie ich trotzdem Reibekuchen essen kann: Ich halbiere jetzt die Menge an Insulin, die ich dafür spritze und gebe sie mir erst eine halbe Stunde nach dem Essen. So vermeide ich eine Hypo und behalte den BZ schön dort, wo er sein sollte.
Und wie überprüfe ich nun meine BE-Faktoren/lege sie fest? Um dieses Thema geht es auf der nächsten Seite...
Zu hoher oder zu niedriger BZ kann immer wieder mal vorkommen. Der Körper ist eben keine Maschine, die jeden Tag gleich reagiert. Da hilft es auch nichts, sich darüber zu ärgern oder schuldig zu fühlen. Erst wenn die Abweichungen vom Zielbereich häufiger auftreten ist es ratsam, gemeinsam mit dem behandelnden Arzt die Blutzuckerprofile der letzten Tage durchzugehen und u.U. mal zu testen, ob die Therapie nicht einer Veränderung bedarf. Denn eine einmal festgesetzte Therapie muss keinesfalls bis an das Lebensende so bleiben; Veränderungen treten bei fast jedem irgendwann mal auf.
Ist der BZ zu tief (also unterhalb des Zielbereichs), dann isst man eben 1-2 BE (auch wenn man noch keine Hyposymptome verspürt, denn die könnten ja kommen und den BZ noch mehr aus dem Gleichgewicht bringen).
Ist der BZ mal zu hoch, dann ist die erste Frage immer, warum das so sein könnte. Auf die möglichen Gründe will ich hier mal nicht näher eingehen, denn für die Bestimmung des Korrekturbolus sind die meisten davon irrelevant.
Relevant ist da schon die Uhrzeit, denn zu den verschiedenen Tageszeiten ist die Insulinsensitivität unterschiedlich stark ausgeprägt. So kann die BZ-Senkung mit derselben Menge an Insulin morgens oder nachts extrem unterschiedlich sein. Deswegen haben die meisten Insuliner auch unterschiedliche Korrektur-Regeln für unterschiedliche Tageszeiten.
Wenn man etwas korrigieren will, dann geht das nur wenn man weiß, was man mit einer Korrektur erreichen will. Bezogen auf den BZ heißt das, man muss einen Wert im Hinterkopf haben, den man zu erreichen sucht.
Allerdings ist es beim BZ nicht einfach möglich einen Regler zu betätigen und dort einen gewissen Wert einzustellen. Man muss eine bestimmte Menge Insulin spritzen oder Kohlenhydrate essen und dabei einschätzen können, wie hoch oder wie tief der BZ danach sein wird. Würde man einen Wert festlegen von z.B. 120 mg/dl, dann wäre ein Wert von 121 bereits eine Verfehlung, wenn auch nur eine geringe (die zudem auch noch in die erlaubte Abweichung der Messgeräte fällt!). Daher ist es realistischer statt eines alleinigen Zielwertes noch einen Bereich anzugeben, der auch noch als akzeptabel empfunden werden kann. Also »Zielbereich« und »Zielwert«.
Der Zielwert ist etwas Individuelles; kann nicht für alle Menschen gelten, denn jeder hat andere Voraussetzungen. Jemand, der im Büro arbeitet und seine tägliche körperliche Belastung im Voraus kennt wird nicht so leicht in "Gefahr" geraten eine Hypo zu bekommen wie jemand, der auf dem Bau arbeitet und/oder keine festen Pausenzeiten hat. Ein höherer Zielwert kann hier mit einem Reservetank verglichen werden, der einen etwas länger vor einer Hypo bewahrt. Allerdings nimmt das Risiko von diabetischen Spätschäden mit der Höhe des durchschnittlichen BZ zu, sodass der Zielwert nicht unendlich hoch angesetzt werden kann. Am besten besprechen sie ihren Zielwert mit Ihrem behandelnden Arzt.
Der Zielbereich ist da schon etwas anders; für ihn kann man Regeln aufstellen. Am günstigsten ist ein Zielbereich, der ausgehend vom Zielwert Abweichungen nach oben und nach unten gleichermaßen zulässt, die ungefähr der Wirkung einer I.E. oder einer BE entsprechen.
Beispiel: Sie haben festgestellt, dass eine I.E. Insulin den BZ um ca. 30mg/dl senkt und ihr Zielwert liegt bei 110mg/dl. Dann wäre der Zielbereich bei 80-140mg/dl
Zusammenfassend kann man also sagen: Der Zielwert ist das, auf das man zielt, wenn man im Zielbereich landen möchte.
Aber was, wenn eine I.E. den BZ um 60/mg/dl senkt? Bei einem Zielwert von 110mg/dl wäre ein Zielbereich von 50-170/mg/dl natürlich etwas happig. In dem Fall würde ich als Zielbereich eher den Bereich ansehen, innerhalb dessen eine Intervention durch Essen oder Korrigieren nicht notwendig ist. Als Obergrenze lege ich für mich persönlich 140mg/dl fest, weil ab diesem Wert mit einer zunehmenden Bildung freier Fettsäuren und damit verbundener Insulinresistenz zu rechnen ist. Die Untergrenze liegt dann dicht an der Hyposchwelle. Bei mir sind das derzeit 60/mg/dl. Dieses Beispiel verdeutlicht aber auch anschaulich, warum eine Bolusteilung in halbe Einheiten durchaus sinnvoll sein kann. Nur ist das mit vielen Pens gar nicht so genau einzustellen.
Daher würde ich bei einer Korrektur mit Insulin im Zweifelsfall lieber eine Einheit zu wenig als eine zu viel spritzen. Ist der BZ danach noch zu hoch, dann kann ich immer noch nachkorrigieren. Komme ich aber in eine Hypo, dann muss ich etwas essen (was sich ungünstig auf das Körpergewicht auswirkt) und löse unter Umständen eine körperliche Gegenregulation aus. Ich nenne das dann BZ-Achterbahn!
Die Resorption, also die Aufnahme aus dem Unterhautfettgewebe ins Blut hängt bei Insulin auch stark von der verabreichten Insulinmenge ab.
Um das zu verstehen muss man ein bisschen genauer hinschauen: Insulin liegt je nach Konzentration in mehr oder weniger großer Menge nicht als Einzelmoleküle (=Monomere), sondern in Gruppen zu je sechs Molekülen (=Hexamere) vor. Sie können sich vorstellen, dass diese Gruppen ("Six-Packs") auch räumlich größer sind. Leider zu groß, um die kleinen Poren in den Blutgefäßen passieren zu können. Die sind gerade groß genug für Monomere, evtl. auch für Dimere (=Zweiergruppen von Molekülen).
Bei der Konzentration U100 (=100 I.E. pro Milliliter) beträgt der Anteil an Hexameren ca. 75%. Da die Konzentration wesentlich zu dieser Hexamer-Bildung beiträgt ist auch klar, wie man sie wieder auflösen kann: durch entsprechende Verdünnung. Die Flüssigkeit, die hier zur Verdünnung beiträgt kommt direkt aus der Umgebung, in die gespritzt wurde: das ZZW (Zellzwischenwasser, oder auch "interstitielle Flüssigkeit", wie der Mediziner dazu sagt).
Der menschliche Körper besteht zu 70% aus Wasser, das sich bei einem Menschen mit z.B. 70kg Gewicht wie folgt verteilt:
3 Liter im Blut (von 6 Litern Blut gesamt; die restlichen 3 Liter Volumen bestehen aus den festen Körper (dem Hämatokrit), wie z.B. rote und weiße Blutkörperchen)
12 Liter Zwischenzellwasser, das sich frei zwischen den Zellen und außerhalb der Blutgefäße bewegt
35 Liter Zellwasser, das sich direkt in den Zellen befindet
Wie wir im Kapitel über die Nierenschwelle schon geklärt haben gibt es die Osmose, die durch bestimmte Stoffe ausgelöst wird. Auch Insulin als Eiweißkörper hat diese osmotische Kraft und zieht Wasser an; in diesem Fall eben das ZZW. Damit die Hexamere in Dimere zerfallen (=dissoziieren) können ist eine Verdünnung des gespritzten Insulins um den Faktor 50-100 notwendig (Zur Dissoziation in vorwiegend Monomere sogar um den Faktor 1000!). Insulin kann also erst ins Blut übergehen, wenn es durch genug Zwischenzellwasser verdünnt wurde.
Und jetzt können Sie sich sicher leichter vorstellen: je mehr Insulin man spritzt, desto mehr ZZW wird bis zur ausreichenden Verdünnung benötigt. Und desto länger dauert dieser Vorgang. Als Faustregel kann man daher auch sagen: eine Verdreifachung der Dosis bewirkt eine Verdopplung der Wirkdauer. Hört sich zwar nach viel an, bedeutet aber eigentlich nur: 6 IE wirken doppelt so lange wie 2 IE.
Ich brauche aber viel Insulin, lässt sich das nicht umgehen? Doch, das kann man. Wenn der Inhalt eines kleinen Reservoirs schneller ins Blut gelangt, dann bewirken viele kleine Reservoire das auch. Die werden ja nicht der Reihe nach resorbiert sondern gleichzeitig. Diese Aufteilung in mehrere Injektionen nennt man auch Splitting oder "fraktioniert spritzen"! Für den Diabetiker, der Spritze oder Pen benutzt ist das ja kein Problem. Diabetiker mit einer Pumpe können dann einen Teil des Bolus mit der Pumpe abgeben, den anderen Teil zusätzlich mit Pen oder Spritze.
Weitere Einflüsse auf die Resorption haben Faktoren wie Umgebungstemperatur (bei Wärme ist die Durchblutung der Hautschichten höher, bei Kälte ist sie geringer), körperliche Aktivität oder Massagen (regen auch die Durchblutung der Haut an), Nikotin (zieht die Blutgefäße zusammen und vermindert so die Durchblutung), sowie Medikamente, die auf die Durchblutung einen Einfluss haben. Auch die Wahl des Injektionsortes kann einen Einfluss haben. So wird die Bauchhaut von mehr Blutgefäßen durchzogen als die Haut über dem Oberschenkel, was eine schnellere Resorption aus Stellen um den Bauchnabel bewirkt.
Ich habe gerade einen BZ gemessen, der tiefer als mein Zielbereich ist, aber das fühlt sich gar nicht an wie eine Hypo... Nun, es fühlt sich noch nicht so an, aber das könnte noch kommen. Und danach vielleicht eine Gegenregulation, die den BZ über den Zielbereich hinaus steigen lässt. Wenn Sie so konsequent sind und alles über dem Zielbereich korrigieren, dann können Sie auch ebenso verfahren wenn Sie unter dem Zielbereich sind. Nur hier eben nicht mit Insulin sondern mit Kohlenhydraten. Es müssen auch keine schnellen Kohlenhydrate wie z.B. Traubenzucker sein. Langsame wie Schokolade oder eine Scheibe Brot mit Margarine tun es auch (beide verlangsamen aufgrund des Fettgehaltes den Eintritt der Glucose ins Blut). Daher sind sie bei einer echten Hypo zur Soforthilfe auch weniger geeignet. Sie haben diesen Wert unmittelbar vor einer Mahlzeit gemessen? Dann können Sie auch anders vorgehen. Essen Sie ganz normal, aber ziehen sie bei der Berechnung des Mahlzeitenbolus eine BE ab. Beispiel: Sie wollen gleich 6 BE zum Mittag essen. Weil der BZ vor dem Essen aber schon so tief ist, können Sie die 6 BE essen, brauchen aber nur für 5 BE das Insulin zu spritzen. Die 6. BE ist in dem Fall dazu da, den tiefen Wert etwas anzuheben.
Und wie kann man testen, um wieviel eine Einheit Insulin den BZ senkt? Das erfahren Sie im nächsten Artikel...
Und wie kann man testen, um wieviel eine Einheit Insulin den BZ senkt? Zunächst einmal sollte man sicherstellen, dass keine anderen Faktoren als nur das Insulin den BZ beeinflussen. Also sollte die Basaldosis/-rate stimmen und die letzte (fettarme) Mahlzeit etwa 3 bis 4 Stunden zurückliegen. Mit einer BE Traubenzucker (weil das sehr schnell vom Blut aufgenommen wird) kann man dann den BZ etwas anheben. Dann spritzt man eine I.E. Insulin und misst nach 2 Stunden (bei Analoga), bzw. 3 Stunden (bei Normalinsulin) den BZ und erhält so einen Anhaltswert. Allerdings ist die Tageszeit zu berücksichtigen, denn morgens wirken mehr Hormone der Insulinwirkung entgegen, so dass es schwächer wirkt als nachts, wenn die Gegenspieler-Hormone nicht so stark vorhanden sind.
Es gibt Menschen, die reagieren auf eine I.E. Insulin mit einem BZ-Abfall von 100mg/dl, während er bei anderen gerade mal um 10-20 mg/dl sinkt. Die breite Masse ist irgendwo dazwischen angesiedelt, weswegen bei vielen erstmal von einer Senkung um 50 mg/dl ausgegangen wird. Man spricht dann von einer 50er-Regel (denn der Begriff 'Faktor' ist ja mathematisch gesehen falsch; da ja nicht mit diesem Wert multipliziert, sondern durch ihn dividiert wird müsste es eigentlich Quotient heißen. Aber das ist eher was für Erbsenzähler...)
Eine andere Methode das zu testen (und so wurde es damals auch bei mir gemacht) ist eher eine "Trial and Error"-Methode: Man berechnet nach der 50er-Regel und stellt nach 2-3 Stunden fest, ob der BZ seinen Zielwert erreicht hat. Ist er zu niedrig, nimmt man beim nächsten Mal eine 60er-Regel (eine I.E. senkt den BZ um 60mg/dl), ist er noch zu hoch eine 40er-Regel (eine I.E. senkt den BZ um 40mg/dl) usw.
Und wie berechnet man die Dosis nun? Das ist ganz einfach: Aktueller BZ minus Zielwert geteilt durch Korrektur-Regel Nehmen wir an, jemand hat vor dem Frühstück einen BZ von 233mg/dl, einen Zielwert von 110 und braucht um diese Zeit eine 30er-Regel: 233-110 = 123 : 30 = 4 Um den Zielwert zu erreichen braucht er also 4 I.E. Insulin.
Allerdings möchte er auch noch etwas essen und braucht dann zusätzlich zum Korrekturbolus einen Mahlzeitenbolus, und um den geht es im nächsten Artikel.
Auf was soll ich denn achten, wenn ich ein bißchen auf Nummer Sicher gehen will? Vor allen Dingen darauf, dass man einen BZ, der lange Zeit (bei manchen Wochen bis Monate) sehr hoch war nie zu aggressiv senken darf. Erstens ist in solchen Fällen die Schwelle, aber der man Hypo-Symptome entwickelt wesentlich höher und zweitens kann eine zu drastische Senkung das Auge in Mitleidenschaft ziehen. In Einzelfällen kann das bis zur Erblindung durch Netzhautablösung führen. Jemand, der lange Zeit BZ-Werte um die 300 "gewohnt" war sollte in den ersten Tagen ruhig BZ-Werte um die 200 anstreben. Wenn das einige Tage lang geklappt hat kann man langsam tiefer gehen.
Auch dem BZ vor dem Zu-Bett-gehen sollte man ein wenig mehr Spielraum geben. Liegt der bei mir unter 100mg/dl, dann esse ich lieber noch eine BE als eine nächtliche Hypo zu riskieren.
Und natürlich sollte man nach einer sportlichen Aktivität auch vorsichtshalber eine evtl. Korrekturdosis vermindern, weil es durch den Muskel-Auffülleffekt ja vermutlich eh zu einer stärkeren Insulinwirkung kommt und man ja schließlich nicht in einer satten Hypo landen will...
Basaltest: "Alles schön und gut" werden Sie sagen, "jetzt kenne ich den Unterschied zwischen Basaldosis und Basalrate und welche grundsätzlichen Überlegungen dem vorausgehen. Aber wie prüfe ich denn nun, ob bei mir alles so stimmt wie es gedacht war?" Nun, dafür gibt es den Basaltest. Der Sinn des Basalbedarfs besteht ja darin, dem Körper die Menge an Insulin zuzuführen, die er auch ohne Nahrungsaufnahme braucht. Also sollte man davon ausgehen können, dass der Körper (sofern er nicht ungewöhnlichen körperlichen Belastungen ausgesetzt ist) mit dieser Basalmenge den BZ konstant hält. Das gilt es mit dem Basaltest zu überprüfen. An diesen Test sind aber einige Bedingungen geknüpft:
1. Der Nüchtern BZ sollte nicht über 180 liegen. Denn das könnte bedeuten, dass dem schon eine Fettsäureresistenz zugrunde liegt, durch die natürlich auch das Basalinsulin nicht mehr so wirken kann wie erwartet.
2. In der Nacht vorher sollte keine Hypo vorgelegen haben. Denn das könnte u.U. eine verzögerte Gegenregulation mit sich bringen, durch die der BZ angehoben wird, was ja an normalen Tagen (ohne vorherige Hypo) nicht passiert.
3. Die letzte Mahlzeit sollte nicht länger als 12 Stunden zurück liegen. Das könnte in den Zellen nämlich einen "Hungerzustand" auslösen. Dadurch schaltet der Körper um auf alternative Energiezufuhr, und die bedeutet vermehrte Fettspaltung. Es werden dabei Ketonkörper freigesetzt, die ihrerseits wieder eine gewisse Insulinresistenz bewirken.
4. Der BZ sollte auch nicht deutlich unter 100 mg/dl (5,5 mmol/l) liegen, denn auch dann könnte der Körper mit einer Gegenregulation beginnen. Liegt der Nüchtern-BZ zu niedrig, dann kann man ihn mit ein wenig Traubenzucker anheben, denn das ist schnell genug resorbiert und kann den weiteren Test nicht verfälschen.
Den eigentlichen Test sollte man auf zwei bis drei Tage aufteilen:
Tag 1: Morgens. Hiermit sollte um ca. 5:00 Uhr begonnen werden, denn ab diesem Punkt beginnt der BZ langsam anzusteigen. Jeder Test kann nach 6 bis 7 Stunden beendet werden.
Tag 2: Mittags. Morgens kann noch ein leichtes, möglichst fettarmes Frühstück eingenommen werden. Allerdings sollte der letzte Bissen ca. 4 Stunden vor Testbeginn gegessen werden.
Tag 3: Abends. Auch hier sollte den Tag über möglichst wenig Kohlenhydrate und fettarm gegessen werden; letzte Mahlzeit 4 Stunden vor Testbeginn.
Während der Testphasen misst man alle 2 Stunden den BZ und protokolliert die Ergebnisse für die nächste Besprechung mit dem behandelnden Arzt. (Ich messe sogar stündlich). Gegessen wird erst wieder nach dem Test; kohlenhydratfreie Getränke sind aber erlaubt.
Natürlich gibt es auch Bedingungen, unter denen ein Basaltest abgebrochen werden sollte. Wie Sie sicher schon vermutet haben wäre dies erforderlich, wenn wegen einer Hypo etwas gegessen werden muss, bzw. wenn der BZ-Wert zu stark ansteigt. (Ab 180 breche ich ab, um mit Korrekturbolus den Wert wieder zu normalisieren) Selbstredend braucht man die Tests für Tag 2 und 3 nicht mehr auszuführen, wenn schon am Tag 1 ersichtlich wird, daß eine Änderung nötig sein wird.
Es gehört zwar nicht unbedingt zum Basaltest, aber dennoch möchte ich die nächtliche Basalüberprüfung ansprechen. Wie schon an anderer Stelle erwähnt ist in der Nacht die Insulinwirkung am stärksten, weil da die Wirkung aller hormonellen Gegenspieler am geringsten ist. Daher ist es auch empfehlenswert gelegentlich (vor allem in der Anfangsphase) einen Blick auf die BZ-Werte um 3:00 Uhr (ungefähr da ist die Insulinwirkung am stärksten) und um 5:00 Uhr zu werfen (wenn der BZ wieder zu steigen beginnt).
Die Auswirkungen solcher Basaltests sind selbstredend: Sinkt der BZ zu stark, so kann die vorhergehende Dosis verringert werden, steigt er zu stark, kann sie erhöht werden. Allerdings sollte man insbesondere bei Erhöhungen der Abenddosis vorsichtig vorgehen und in der Nacht den 3:00 Uhr-Wert kontrollieren. Wenn Sie Veränderungen vornehmen, dann sollten Sie die Dosis nie um mehr als 10% ändern und der neuen Dosis immer erst 2 bis 3 Tage Zeit geben, in der Ihr Körper sich daran gewöhnt.
Insbesondere für Pumpenträger empfiehlt sich sogar eine stündliche Protokollierung, denn Pumpenträger können ja auch ihre Basalrate stündlich anpassen. Sie sollten dann aber auch bedenken, dass zwischen Abgabe der Stundendosis und Eintreten der Wirkung etwa eine Stunde liegt. Wollen Sie also z.B. einen BZ-Wert um 11:00 Uhr beeinflussen, sollte die Programmierung für 10:00 Uhr geändert werden. Außerdem würde ich hierbei nie mehr als 1-2 Umprogrammierungen der Pumpe auf einmal vornehmen. Lieber einmal öfter testen.
Wenn Sie auf diese Art nach und nach ihren Basalbedarf optimiert haben, dann kann der nächste Schritt in der Optimierung der Insulintherapie folgen: der Korrekturbolus!