Kontinuierliche Subkutane Insulin-Infusion (CSII; Pumpentherapie)
Die CSII ist die Steigerung der ICT. Sie ist geeignet für alle Diabetiker, die von den Freiheiten einer ICT profitieren, aufgrund problematischer Basalversorgung aber eine unzureichende Stoffwechseleinstellung aufweisen.
Man sollte sich die Entscheidung zu einer Pumpe aber nicht zu leicht machen. Eine saubere Therapieführung mit Pumpe bedeutet auch eine sehr intensive Auseinandersetzung mit dem Diabetes als solchem. Anders als den Pen, den man schon mal weglegen (und dort dann auch vergessen) kann, trägt man eine Pumpe 24 Stunden am Tag mit sich.
Wer seinen Diabetes nicht voll und ganz akzeptiert hat wird dadurch immer wieder an ihn erinnert. Den Anderen wird psychologisch kein großer Unterschied auffallen, denn sie erleben Diabetes ohnehin als ganz natürlichen Teil ihrer selbst. Ähnlich wie eine Brille ist eine Pumpe ein Hilfsmittel, um eine körperliche Unzulänglichkeit zu kompensieren. Und ähnlich wie eine Brille ist auch eine Pumpe ein Fremdkörper, den man zumindest am Anfang ständig spürt.
Ich habe meine Pumpe seit Ende August 2002, und mittlerweile spüre ich sie gar nicht mehr (außer wenn sie mal drückt, weil ich mich dagegen lehne). Wenn ich unterwegs bin muss ich schon manchmal hingreifen um mich zu vergewissern, dass sie noch da ist.
Ich weiß aber auch von Menschen, die sie ausprobiert und wieder abgelegt haben, weil sie sich daran gefesselt fühlten. Mir wurde schon 1985 eine Pumpe angeraten, ich habe mich aber 17 Jahre dagegen gewehrt. Ich hatte die Vorstellung, dass mich ständig dieses "Gebaumel" stören würde, dass der Katheter drückt, dass es unbequem sei mit ihr schlafen zu gehen, dass es zu kompliziert in der Bedienung wäre usw. (Pumpenablehner wissen, was ich meine).
Dann hatte ich Gelegenheit, mal unverbindlich eine auszuprobieren. Eigentlich war nur ein Test mit Kochsalz vorgesehen, aber ich wollte sie gleich unter realen Bedingungen testen und habe sie mit Insulin gefüllt.
NICHTS von meinen Befürchtungen hat sich bewahrheitet. Und meine Nüchtern-BZs, die sonst bei 240-300 lagen waren schon am ersten Tag unter 100. Beim Essen musste ich nicht mehr nach meinem Pen suchen oder mich stechen, sondern einfach ein paar Knöpfchen drücken.
Also habe ich mir einen guten Diabetologen gesucht, der mich dann bei der Umstellung auf Pumpe unterstützt hat. Mittlerweile würde ich sie als Therapiemittel nicht mehr hergeben wollen. Mein bester HbA1c vor der Pumpe war bei 8,9%. Drei Monate später war der bei 6,7%, Tendenz fallend.
Trotzdem würde ich jeden unterstützen, der eine Pumpe kategorisch ablehnt. Denn dazu muss man innerlich bereit sein. Wenn man ihr von Anfang an negativ begegnet, dann kann daraus nichts werden. Und dann ist es besser noch etwas zu warten, bis man wirklich bereit ist, als tatsächliche negative Emotionen aufzubauen, die später einem Umstieg im Wege stehen würden. Wie gesagt: ich habe 17 Jahre gebraucht, um soweit zu sein.
Heute bedeutet sie für mich eine wesentlich größere Freiheit, weil ich mir keine Gedanken um Uhrzeiten zur Basalspritze mehr machen muss und meine Nüchternwerte trotzdem optimal sind, weil ich mein Insulin ständig bei mir trage und nicht für jede Mahlzeit stechen muss und weil ich durch die verschiedenen Bolus-Funktionen auf jede Situation reagieren kann. (weiteres siehe unten)
Die CSII bietet eine noch physiologischere Anpassung an den individuellen Insulinbedarf, da hierbei mittels Programmierung der Pumpe für jede Stunde des Tages eine individuelle Basal-Dosis vorgegeben werden kann.
Mit Hilfe dieser genau auf den persönlichen Bedarf zugeschnittenen Basalraten können auch die bei der ICT entstehenden "Löcher" in der Basalversorgung gestopft werden. Das Ergebnis ist eine fast perfekte Insulinversorgung über den ganzen Tag, die nur noch von den persönlichen Grenzen limitiert wird.
"Fast" perfekt, denn der wirklichen Perfektion steht noch die Limitierung durch die subkutane Resorption entgegen, die bei jedem Menschen unterschiedlich ausgeprägt ist.
Auch die Pumpe gibt ihre Boli im Stoß ab und bildet so ein subcutanes Bolus-Reservoir, welches in Abhängigkeit seines Volumens resorbiert wird. Bei größeren Boli empfiehlt sich also auch bei der Pumpe ein Splitting in mehrere Resorptionsorte. Ab wann ein Splitten sinnvoll ist muss jeder für sich selbst herausfinden. Es hängt sowohl von der individuellen Resorptionsrate ab, als auch vom GI der jeweiligen Mahlzeit.
Man will ja erreichen, dass die KH und das Insulin möglichst gleichzeitig im Blut anfluten. Daher kann eine langsame Resorption bei z.B. 12 I.E. für 8 BE mit niedrigem GI passen, während es bei derselben Menge aber hohem GI zur Hyperglykämie kommt.
Teilt man diese 12 I.E. jetzt auf in zwei Portionen (eine mit der Pumpe, die andere mit Spritze/Pen), dann kann der BZ eher auf normoglykämischem Niveau gehalten werden.
Diabetiker mit Pumpe müssen aber gesondert geschult werden und mitunter häufiger messen (besonders zu Therapiebeginn), da sie ja auch die Basalratenprogrammierung anpassen müssen. ("Programmierung" klingt komplizierter als es ist. Im Grunde stelle ich nur die Basalrate ein, mit der um 00:00 Uhr begonnen werden soll und dann jede Uhrzeit, an der sich die bis dahin geltende Basalrate ändert und die ab dann geltende Dosis. Jeder der einen Wecker einstellen kann kriegt das hin...)
Und ganz wichtig:
Pumpis müssen sich gut bis sehr gut mit dem Erkennen und Beherrschen einer Ketose auskennen. Unter ICT/CT kaum ein Thema (solange das Basalinsulin als Ketobremse "drin" ist), stellt eine Keto für einen Pumpi den Staatsfeind Nr. 1 dar.
Grund:
Anders als bei ICT/CT liegt beim Pumpi kein subkutanes Basalreservoir vor. (Die Pumpe wird ausschließlich mit schnell- und kurzwirkendem Insulin betrieben und das dabei entstehende Subkutan-Reservoir ist bei einem Defekt schnell erschöpft)
Was bei unvorhergesehenen körperlichen Aktivitäten ein Segen ist (einfach temporär die Basalrate absenken und dann passt das schon) kann zum Fluch werden, wenn aus irgendeinem Grund die Insulinversorgung abbricht. (Katheterverstopfung, Katheter/Ansatzstelle undicht, kein Insulin mehr in der Pumpe usw.) Dann wird die Ketogenese nicht mehr gestoppt und es kann zu schweren Stoffwechselentgleisungen kommen. Hieraus ergibt sich eine besondere Sorgfaltspflicht hinsichtlich der BZ-Beobachtung. Steigt der BZ unerklärlicherweise an, sollte sofort die Fahndung nach den Ursachen beginnen.
Hört sich alles sehr dramatisch an, ist aber für einen geschulten Pumpi nicht wirklich ein Problem, denn genau für diese Situation wird er ja geschult.
Andererseits ist diese Sorgfaltspflicht aber auch der Grund dafür, aus dem viele Diabetologen von ihren Patienten verlangen, sie müssen erst besser eingestellt sein, bevor man über einer Pumpe reden kann. Natürlich geht es nicht darum, dass man es ohne Pumpe besser hinbekommt. Das wäre ja so, als würde einem die Bank den Kredit über 2.000 Euro nur gewähren, wenn man dafür 5.000 Euro als Sicherheit hinterlegt...
Es geht vielmehr darum, dass man der Krankenkasse (als Kostenträger) belegen kann, dass man erstens alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft hat und zweitens der Patient bereit und in der Lage ist, die mit einer Pumpentherapie einhergehende erhöhte Sorgfaltspflicht auch zu tragen.
Ebenso lernt der Pumpi in diesen Pumpenschulungen, die Sonderfunktionen seiner Pumpe bedarfsgerecht einzusetzen. Die temporäre Basalrate z.B. bei ungeplanter körperlicher Aktivität, den verlängerten Bolus (=ein eingestellter Bolus wird über einen bestimmten Zeitraum verteilt abgegeben) für längere Festessen, den Dualbolus (=erst ein normaler, danach anschließend ein verlängerter Bolus) für bestimmte Mahlzeiten, die sowohl Lebensmittel mit hohem, als auch solche mit niedrigem GI haben.
Bei mir liegt z.B. neben dem üblichen Dawn, der an feste Zeiten gebunden ist, noch ein variabler Dawn vor, den ich als »Aufstehphänomen« bezeichne: Nach ein paar Wochen Testen bin ich drauf gekommen, daß egal wann ich aufstehe, ich einen Bolusbedarf von 3 I.E. habe. Allerdings nicht im Schuss (wer würde sich bei einem BZ von 70 mg/dl schon 3 I.E. im Schuss geben...)
Dafür nutze ich die Bolusfunktionen: Liegt der BZ unter 100, gebe ich die 3 IE über 90 Minuten verzögert ab. Bei 100-120 als Dualbolus (eine Einheit sofort, die anderen beiden auf 90 Minuten verteilt). Bei 120-130 zwei Einheiten sofort und die dritte verzögert, bei 130-140 alle drei auf einmal und bei über 140 wird dann zusätzlich korrigiert. Bei Werten unter 70 verteile ich dann auf 2-3 Stunden. Die Folge ist gegen Mittag ein perfekter BZ um 100 mg/dl
Mit Sicherheit war es aufwendig, dies alles so genau auszutesten. Mittlerweile ist es aber so normal wie morgens die Brille aufzusetzen.
Als konsequente Weiterentwicklung der bestehenden Pumpensysteme würde ich schlussendlich die künstliche Betazelle ansehen. (Der Begriff "künstlicher Pankreas" wird zwar gern in diesem Zusammenhang benutzt, ist aber faktisch falsch, weil so ein Gerät ja die anderen Pankreasfunktionen nicht simulieren kann)
Bei Serienreife wird dies ein echtes closed-Loop System, bei dem der Pat. bestenfalls noch stichprobenartig überwachen muss, ob alles noch zur Zufriedenheit läuft. Solche Systeme sind schon lange in der Erforschung, aber diesmal scheint das Ziel wirklich nahe zu sein. Warten wir´s ab...
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