forum

Diskutieren Sie mit, indem Sie einfach auf das Bild oben klicken und sich im Forum anmelden...

In Ihrem eigenen Interesse:

Bitte befolgen Sie Tipps/Empfehlungen/Anregungen, die Sie hier oder anderswo im Internet gefunden haben, niemals, ohne das vorher mit Ihrem behandelnden Arzt, bzw. mit Ihrem Diabetesteam besprochen zu haben!

Wichtig!
- - - - - -

Resorption

... meint hier den Vorgang, mit dem ein Stoff (z.B. Insulin) ins Blut übertritt.

Je nach äußerem Einflussfaktor können die Ergebnisse derart signifikant variieren, daß man sie zur optimalen Therapie zumindest einmal gehört haben sollte. Die Einflussfaktoren sind im Einzelnen:

Applikationsart: (Der wichtigste Faktor)
Insulin lässt sich sowohl subkutan (s.c.), intramuskulär (i.m.) als auch intravenös (i.v.) verabreichen; wobei die Resorptionsgeschwindigkeit in dieser Reihenfolge zunimmt.
 
Dicke der Fettschicht: (bei s.c.-Injektionen)
Zum Einen muss man bei sehr dünnen Menschen darauf achten, dass die geplante s.c.-Applikation nicht doch im Muskel landet (was wegen der schnelleren Resorption zu schweren hypoglykämischen Entgleisungen führen kann) und zum Anderen sind dickere Fettschichten fast immer auch schlechter durchblutet. D.h. für die Praxis, daß die Insulinansammlung dort nicht so viel Kontaktfläche zum Blut hat und daher auch langsamer abgebaut wird. Hat man seine persönliche Resorptionsgeschwindigkeit aber mal herausgefunden ist dieser Punkt (zumindest aus resorptionstechnischer Sicht) unkritisch, denn dann kann man das in seine Therapie einplanen. Einplanen sollte man auf jeden Fall, dass die Länge der Kanüle passend zur Dicke der subkutanen Fettschicht gewählt wird. (Auch wenn manche heutzutage sagen, das wäre egal. Ich habe schon genug Fälle in der Praxis erlebt, bei denen die Verwendung einer längeren Kanüle zu einem deutlich stabileren BZ-Verlauf geführt hat)
 
Injektionstiefe: (bei s.c.-Injektionen)
Zu den tieferen Subkutis-Schichten hin nimmt das Kapillarnetz zu, so dass mit einer schnelleren Resorption gerechnet werden kann. Das erklärt auch, warum durch die Wahl einer passenderen Kanüle das Insulin besser wirken kann als mit einer zu kurzen. Kanülenlängen von 5 oder 6 Millimeter sollten wirklich nur von Kindern oder sehr "dünnhäutigen" Menschen verwendet werden.
 
Art des Insulins:
Dass es Unterschiede in der Resorption von kurz- und langwirkenden Insulinen gibt brauche ich sicher nicht extra zu erwähnen. Aber auch bei den Kurzwirkenden ist es ein genereller Unterschied, ob man nun ein Normalinsulin oder ein Insulinanalogon spritzt. Normalinsuline und Kurzzeitanaloga liegen in Gruppe zu 6 Molekülen vor (Hexamere oder "Insulin-six-pack" ), müssen aber erst in Mono- oder Dimere (also Einzel-/Zweiermoleküle) zerfallen, um resorbiert werden zu können. Insulinanaloga zerfallen jedoch in der Regel schneller, weil die Bindung der Einzelmoleküle weniger stark ausgeprägt ist, so dass sie wesentlich schneller resorbiert werden. Dementsprechend kürzer ist auch ihre Wirkdauer.
 
Umgebungstemperatur:
Körper, die lange der Kälte ausgesetzt waren neigen zum "Zentralisieren". So nennt man einen physiologischen Vorgang, bei dem körperstammferne Blutgefäße eng gestellt werden, um den lebenswichtigen Organen durch kaltes Blut nicht zuviel Wärme zu entziehen und überhaupt deren Durchblutung sicherzustellen.
 
Insulindosis:
Je höher die Einzeldosis, desto länger braucht es bis zu ihrer vollständigen Resorption. Der Grund ist einfach und physikalisch: Bei der Applikation bildet das subcutane Insulinreservoir ja eine räumliche Struktur. Und deren Oberfläche (und damit auch Kontaktfläche zum Blut) wächst nicht proportional zu derem Volumen. Aus diesem Grund ist bei Einzeldosen über 8-10 I.E. ein "Splitting", also das Aufteilen auf zwei oder mehr Resorptionsorte oft sinnvoller als eine einzige große Dosis. Als Faustregel gilt: eine Verdreifachung der Dosis bewirkt eine Verdopplung der Wirkdauer.
Insulin wird aber auch schon im subkutanen Gewebe durch Enzyme abgebaut. D.h. je länger das Insulin dort verweilt, desto weniger davon kommt tatsächlich auch als Insulin im Blut an und kann biologisch wirksam werden.
 
Injektionsort:
Man kann im Subkutangewebe Orte mit minderer und Orte mit höherer Durchblutung unterscheiden. Allgemein wird die Gegend um den Bauchnabel (periumbilikal) besser durchblutet als z.B. die Subkutis der Oberschenkel.
 
Vorschädigungen:
Wenn man jahrelang in die immer gleichen Stellen injiziert, dann ist die Gefahr sehr groß, dass es aufgrund der ständigen Gewebsverletzungen dort zu einem allmählichen Umbau der Gewebsstruktur kommt. Die Betroffenen erkennen das z.B. in Form von Gewebsverhärtungen oder Dellen (Dystrophien). Die Injektion in eine solche Stelle geht oft mit unberechenbarer Resorption einher.

Die Resorption, also die Aufnahme aus dem Unterhautfettgewebe ins Blut hängt bei Insulin auch stark von der verabreichten Insulinmenge ab.

Um das zu verstehen muss man ein bisschen genauer hinschauen: Insulin liegt je nach Konzentration in mehr oder weniger großer Menge nicht als Einzelmoleküle (=Monomere), sondern in Gruppen zu je sechs Molekülen (=Hexamere) vor. Sie können sich vorstellen, dass diese Gruppen ("Six-Packs") auch räumlich größer sind. Leider zu groß, um die kleinen Poren in den Blutgefäßen passieren zu können. Die sind gerade groß genug für Monomere, evtl. auch für Dimere (=Zweiergruppen von Molekülen).

Bei der Konzentration U100 (=100 I.E. pro Milliliter) beträgt der Anteil an Hexameren ca. 75%. Da die Konzentration wesentlich zu dieser Hexamer-Bildung beiträgt ist auch klar, wie man sie wieder auflösen kann: durch entsprechende Verdünnung. Die Flüssigkeit, die hier zur Verdünnung beiträgt kommt direkt aus der Umgebung, in die gespritzt wurde: das ZZW (Zellzwischenwasser, oder auch "interstitielle Flüssigkeit", wie der Mediziner dazu sagt).

Der menschliche Körper besteht zu 70% aus Wasser, das sich bei einem Menschen mit z.B. 70kg Gewicht wie folgt verteilt:

  • 3 Liter im Blut (von 6 Litern Blut gesamt; die restlichen 3 Liter Volumen bestehen aus den festen Körper (dem Hämatokrit), wie z.B. rote und weiße Blutkörperchen)
  • 12 Liter Zwischenzellwasser, das sich frei zwischen den Zellen und außerhalb der Blutgefäße bewegt
  • 35 Liter Zellwasser, das sich direkt in den Zellen befindet

Wie wir im Kapitel über die Nierenschwelle schon geklärt haben gibt es die Osmose, die durch bestimmte Stoffe ausgelöst wird. Auch Insulin als Eiweißkörper hat diese osmotische Kraft und zieht Wasser an; in diesem Fall eben das ZZW. Damit die Hexamere in Dimere zerfallen (=dissoziieren) können ist eine Verdünnung des gespritzten Insulins um den Faktor 50-100 notwendig (Zur Dissoziation in vorwiegend Monomere sogar um den Faktor 1000!). Insulin kann also erst ins Blut übergehen, wenn es durch genug Zwischenzellwasser verdünnt wurde.

Und jetzt können Sie sich sicher leichter vorstellen: je mehr Insulin man spritzt, desto mehr ZZW wird bis zur ausreichenden Verdünnung benötigt. Und desto länger dauert dieser Vorgang. Als Faustregel kann man daher auch sagen: eine Verdreifachung der Dosis bewirkt eine Verdopplung der Wirkdauer. Hört sich zwar nach viel an, bedeutet aber eigentlich nur: 6 IE wirken doppelt so lange wie 2 IE.

Wie Sie unschwer erkennen können, kommt der Qualität und Quantität der Durchblutung bei der Resorptionsgeschwindigkeit eine zentrale Rolle zu. Nun ist es aber auch so, dass die Resorption tageszeitabhängigen Schwankungen und dem Hormonhaushalt (insbesondere der Katecholamine) unterliegt.

Es gibt durchaus Diabetiker, bei denen eine zufriedenstellende Einstellung aufgrund von Störungen in diesem Bereich nicht möglich ist. Diese Sonderform ist der sogenannte "Brittle-Diabetes", der aber als solcher ziemlich selten ist. Oft finden sich bei labilen Diabetikern andere ursächliche Fehler im Diabetesmanagment.

Eine weitere seltene Störung ist die subkutane Insulinresistenz. Charakteristisch hierfür ist, dass subkutanes Insulin zu einer Stoffwechsellabilität führt, während es bei intravenöser Insulinzufuhr keine Probleme gibt. Da eine lebenslange i.v. Applikation aber (wegen der damit verbundenen Sepsisgefahr) nicht möglich ist, kommt für diese Patienten ein sogenannter Diaport in Betracht. Dabei wird ein Katheter durch die Bauchhaut bis ins Bauchfell gelegt, über den das Insulin direkt dorthin abgegeben wird. Man nennt diese Therapieform dann CIPII (Continous intraperitoneal Insulin infusion).

Die anderen Injektionstechniken (i.m. und i.v.) sollten aufgrund der besonderen Risiken (Hämatome, Abszesse, Nervenschädigungen etc.) nur von entsprechend angeleiteten Personen durchgeführt werden. Es gibt aber durchaus Sonderfälle, bei denen eine solche Applikation ziemlich sinnvoll sein kann. Dies wäre dann im Zweifelsfall mit dem behandelnden Diabetologen zu besprechen und in einer guten Schulung zu erlernen.